Serge Gainsbourg, der ewige Provokateur

Er trug die Provokation wie andere einen Maßanzug. Serge Gainsbourg – Meister der Verführung durch Skandal – durchquerte die französische Musiklandschaft wie ein unsteter Komet. Sänger, Dichter, Komponist, Regisseur, Fernsehdandy: Gainsbourg war alles zugleich. Doch hinter der Pose, hinter dem Tabubruch, stand vor allem ein Mann, der der Langeweile entkommen wollte. Einer, der mit den Konventionen brach, um sich immer wieder neu zu erfinden. Ein Rückblick auf das Leben eines Ästheten der Entgleisung.
Von der Staffelei ins Rampenlicht
Geboren 1928 in Paris als Lucien Ginsburg, Sohn russisch-jüdischer Emigranten, suchte er zunächst sein Heil in der Malerei. Doch die Kunst zahlte keine Miete. Um über die Runden zu kommen, spielte er Klavier in Pariser Kabaretts. Dort tauchte „Serge Gainsbourg“ erstmals auf – eine Kunstfigur, geboren aus Not und Ehrgeiz. Um 1960 begann er, eigene Chansons aufzunehmen.
Der Mann, der den Skandal suchte
In den Sechzigern wurde aus dem scheuen Poeten der elegante Provokateur. 1967 traf er Brigitte Bardot. Gemeinsam nahmen sie Je t’aime… moi non plus auf – eine erotische Detonation im Äther. Der Song wurde verboten, zensiert, unterdrückt. Bardot bat um die Rücknahme der Aufnahme. Gainsbourg nahm sie später mit Jane Birkin erneut auf.
Der Skandaltitel wurde zum Welterfolg – und zum Symbol. Gainsbourg hatte seinen Stil gefunden: schockieren, um zu verführen; das Triviale mit dem Erhabenen vermengen; die Genres verbiegen, bis sie sich ihm fügten. Er experimentierte mit Reggae, Jazz, Funk, sinfonischem Pop. Keine Schranken, keine Tabus.
Mit Histoire de Melody Nelson (1971), einer dunklen Rockoper über die Liebe zu einer rothaarigen Teenagerin, schuf er sein Meisterwerk. Der Skandal blieb, doch die Musik verwandelte ihn in Kunst. Die Kritiken waren euphorisch – das Album ist bis heute ein Klassiker.
Gainsbarre – die Pose des Absturzes
Ein Werk, das bleibt
Je weiter sich seine Musik entfaltete, desto mehr zerfiel der Mensch dahinter. Alkohol, Zigaretten, Nächte ohne Ende. Gainsbourg erfand Gainsbarre, sein böses Alter Ego, das auf der Bühne, im Fernsehen, auf offener Szene provozierte. „Fous le camp“, fauchte er Catherine Ringer ins Gesicht. Vor laufender Kamera verbrannte er einen 500-Franc-Schein – eine Geste gegen den Fiskus.
Was für manche wie ein Absturz wirkte, erschien anderen als konsequente Performance. Gainsbourg spielte mit dem Bild des verfluchten Dichters, des heiligen Clochards, der die bürgerliche Moral verlachte. Für andere schrieb er weiter: France Gall, Juliette Gréco, Vanessa Paradis. Doch er selbst versank im Dunkel seiner Nächte.
Als Serge Gainsbourg im März 1991 im Alter von 62 Jahren starb, verlor Frankreich einen seiner wildesten Künstler. Auf dem Pariser Friedhof Montparnasse wächst Gras über seinem Grab, bedeckt mit Métro-Tickets, Lippenstiftspuren und Zigarettenstummeln.
Doch sein Werk lebt weiter. Junge Generationen entdecken ihn neu – Rapper, DJs, Popkünstler bekennen sich zu seinem Erbe. Gainsbourg war der Poet des Widerspruchs, die Stimme der Unangepassten.
Er war die Schönheit der Unordnung, die Poesie der Provokation. Ein ruheloser Alchemist, der Skandale in Gold verwandelte. Eine freie, freche, unzähmbare Ikone. Und vor allem: eine Stimme, die noch heute jenen ins Ohr flüstert, die sich nicht beugen wollen.